Seitenlinienorgan bei Fischen: Großes Potenzial für Forschung

Wissenschaftler der Technischen Universität München haben das Seitenlinienorgan der Fische mathematisch entschlüsselt.

Perfektes Sinnensystem

Seitenlinienorgan

Seitenlinienorgan

Mit dem Seitenlinienorgan verfügen Fische und einige Amphibien über ein einzigartiges Sinnessystem, mit dem sie Objekte in ihrer näheren Umgebung abtasten, ohne direkten Körperkontakt zu ihnen zu haben. Selbst in trüben Gewässern, in die kaum mehr Licht eindringt, können etwa Hechte und Zander ihre Opfer erspüren, noch bevor sie diese tatsächlich berühren.

Andere, wie etwa der blinde mexikanische Höhlenfisch, können mühelos Hindernissen ausweichen und Strukturen ihrer Umgebung erahnen. Das sind Beispiele, wo Strömungsänderungen vom Seitenliniensystem registriert werden und andere Sinne unterstützt. Der Fern-Tastsinn beruhe auf einer Messung der Druckverteilung und des Geschwindigkeitsfeldes im umgebenden Wasser.

Seitenlinienorgan als Universalmedium

Physiker der Technischen Universität München arbeiteten seit fünf Jahren daran, die Leistungen des Seitenliniensystems zu erforschen und nach Möglichkeiten einer technischen Umsetzung zu suchen. Dazu wollten die Forscher zum Beispiel wissen, wie groß die Reichweite des Sinnesorgans ist und welche Auskunft es über bewegte Objekte geben kann.

Zander

Zander

Um solchen Fragen auf den Grund zu gehen, haben die Wissenschaftler mathematische Modelle erstellt und diese mit tatsächlichen elektrischen Nervensignalen, so genannten Aktionspotenzialen verglichen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass Fische in einem Umkreis, dessen Radius ihrer eigenen Körperlänge entspricht, andere Fische verlässlich orten können. Das bedeutet auch, dass ein Raubfisch dank der Informationen über Größe und Gestalt eines Beutefisches entscheiden kann, ob sich eine Verfolgung lohnt oder nicht. Gleichzeitig kann er auch zwischen Artgenossen und Räubern unterscheiden.

Viel Potenzial für Robotertechnik

Der Seitenliniensinn beschreibt nicht nur eine andere Qualität der Wirklichkeit, sondern wird auch statt von nur zwei Augen oder Ohren von rund mehreren Tausenden Seitenlinienorganen beim Fisch gespeist, die jeweils aus mehreren Neuromasten bestehen. Die neuronale Verarbeitung dahinter sowie die Integration verschiedener Sinneseindrücke zu einem einheitlichen Abbild der Wirklichkeit ist eine Meisterleistung der Natur, so die Forscher der Technischen Universität München.

Statt den Robotern in Zukunft immer mehr Kameras einzubauen, sollte man ihnen zusätzlich Sensoren für Schall und Tastempfinden mit auf den Weg geben. Mit einem nachgebauten Seitenliniensystem, das in Luft näherungsweise ebenso gut funktioniert wie unter Wasser, könnten sich Roboter in Menschenmengen bewegen, ohne anzuecken. Das System würde sich natürlich auch zur Anwendung unter Wasser eignen.