Seescheide: Alle Infos zum faszinierenden Meerestier

In Japan werden Seescheiden in Unterwasserplantagen gezüchtet und anschließend verbrannt, um aus der Asche Vanadium in hoher Konzentration zu gewinnen.

Seescheide

Seescheide

Seescheide Steckbrief

  • Name: Seescheide. Engl.: Sea squirt
  • Wiss. Name: Ascidiae
  • Stamm: Chordatiere (Chordata)
  • Klasse: Seescheiden
  • Verbreitung: alle Weltmeere
  • Lebensraum: auf dem Meeresboden
  • Nahrung: Plankton
  • Natürliche Feinde: Krabben, Seesterne, Vögel, Seeotter
  • Maximale Größe: 33 cm
  • Maximales Alter: 10.000 Jahre
  • Körperform: kegelförmig
  • Körperfarbe: rot, gelblich, blau, orange, violett
  • Mund: kein Mund vorhanden
  • Fortpflanzung: geschlechtlich und durch Knospenbildung
  • Wirtschaftliche Bedeutung: einige Unterarten werden als Speisetiere verwendet und zur Vanadium-Gewinnung gezüchtet
  • Aquarium: Aquarienhaltung ist möglich aber anspruchsvoll
  • Gefährdung: aufgrund der Umweltverschmutzung z.T. gefährdet

Herkunft und Lebensraum

Seescheiden sind sessile Meeresbewohner, die weltweit die Meere vom Schelf bis zur Tiefsee besiedeln. Mit rund 3.000 Spezies sind sie die artenreichste Gruppe der Manteltiere (Tunicata), die zum Stamm der Chordata gehören. Es gibt drei Ordnungen mit insgesamt 25 Familien und ungefähr 3.000 beschriebenen Arten. In deutschen Meeresgewässern sind etwa 24 Seescheiden-Spezies bekannt, wobei die meisten davon im Raum Helgoland vorkommen.

Lebensweise der Seescheiden

Ausgewachsene Seescheiden leben sesshaft, indem sie sich fest an der Oberfläche des Meeresbodens, an Felsen oder auch auf den Schalen anderer Meerestiere wie z.B. Krabben halten. Im Larvenstadium schwimmen die Seescheiden zuerst frei im Wasser. Erwachsene Tiere können einzeln oder in großen Kolonien leben.

Massenansammlungen von Seescheiden in den Häfen können zum Problem werden, indem die Tiere Rohrleitungen verstopfen, sich an Seilen oder Kabeln festhalten und diese schwer machen. Sie können auch die Schifffahrt behindern, indem sie sich an Schiffsrümpfen festsetzen und so einen zusätzlichen Bewegungswiderstand erzeugen.

Interessante Fakten über Seescheiden

  • Seescheiden gelten als die engsten lebenden wirbellosen Verwandten von Wirbeltieren. Ihre kaulquappenartigen Larven weisen bei einigen Organen erhebliche Ähnlichkeiten mit den Wirbeltieren auf.[1]
  • Wenn man eine Seescheide mit den Fingern berührt, folgt als Reaktion ein kräftiger Wasserstrahl aus allen Öffnungen. Nach so einem starken Wasseraustritt werden die Tiere nach und nach weicher und ähneln am Schluss Hautfetzen, die in der Strömung flattern.
  • Aufgrund ihrer Fähigkeit, einen Mantel zu bilden, und weil sie als innere Mikrofiltrierer die Produktivität des freien Wasserkörpers ausschöpfen können, gehören Seescheiden zu einer sehr erfolgreichen Tiergruppe.
  • Seescheiden können Massenansammlungen bilden, wie zum Beispiel die Art Synascidie Aplidium conicum, deren Kolonie bis zu 50 cm hoch werden kann. Andere Seescheiden bilden dünne bandförmige Kolonien von bis zu 40 m Länge.

Wichtige Merkmale

Seescheide

Seescheide

Seescheiden gehören – wie auch der Mensch – zu den Chordatieren, das heißt, sie haben in bestimmten Entwicklungsstadien gleiche Organe: Eine stabförmige Stütze im Rücken, Chorda genannt, um die sich bei Wirbeltieren eine Wirbelsäule entwickelt. Die Chordatenmerkmale sind bei den Seescheiden allerdings ausschließlich im Larvenstadium zu erkennen.

Die Gehirnanlage, die im Larvenstadium vorhanden ist und für Orientierung und Bewegung gebraucht wird, ist bei einer erwachsenen sessilen Seescheide komplett verschwunden. Durch eine Rückbildung ist nur noch ein Ganglion (Nervenknäuel) vorhanden. Im Mantel der Seescheiden finden sich mesenchymatische Zellen, die verschiedenste Farbstoffe enthalten können.

Wie groß wird eine Seescheide?

Die kleinste Seescheide ist Molgula hydemanni, die einen Durchmesser von 2 mm aufweist. Die größte Art ist Molgula gigantea. Sie wird 33 cm lang.

Wie ernähren sich Seescheiden?

Fast alle Seescheiden sind Nahrungsstrudler. Über eine Einström-Öffnung wird das Wasser in den Kiemendarm geleitet, wo die Nahrung herausgefiltert wird, um dann durch Kiemenspalten in den Peribranchialraum zu gelangen. Der Kiemendarm ist hoch entwickelt. Oft enthält er Tausende von Kiemenspalten. Alle Partikel, die eine Größe von unter 1 μm haben, bleiben darin hängen. Über den Kiemendarm werden auch lösliche Stoffwechselendprodukte ausgeschieden.

Im Januar 2009 wurde in der australischen Tiefsee südöstlich der Insel Tasmanien in einer Meerestiefe von 4.000 Metern eine Seescheiden-Art entdeckt, die sich von kleineren Fischen ernährt. Ihre Beutefische fängt das Tier in ihrem Innern, ähnlich wie bei der Venusfliegenfalle.[2] Seescheiden selbst sind die natürliche Beute vieler Tiere, darunter Mollusken, Krabben, Seesterne, Fische, Vögel und Seeottern.

Fortpflanzung der Seescheiden

Seescheiden

Seescheiden

Seescheiden sind simultane Hermaphroditen. Auch die ungeschlechtliche Vermehrung durch Knospenbildung ist unten diesen Manteltieren weit verbreitet. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung der Seescheiden entstehen sogenannte „geschwänzte Larven“. Nach kurzer Lebensdauer entwickeln sich diese mittels komplexer Umbauvorgänge zur festsitzenden Ascidie. Ferner sind viele Arten der Seescheiden im Zusammenhang mit der Fähigkeit zur Regeneration zu vegetativer Fortpflanzung fähig. Einzeltiere schließen sich danach eng zusammen und es entstehen Kolonien.[3]

Wirtschaftliche Bedeutung

In Korea, Chile, Japan, Australien, Frankreich, Italien und Griechenland werden Seescheiden oft und gerne gegessen. Ihre Schale ist reich an Jod und anderen Spurenelementen. Sie können roh und gesalzen verzehrt werden. In Japan werden die Tiere als Sashimi zubereitet und „Hoya“ genannt. Wenn Sie also zufällig in Japan sind und Sushi mit Seescheide ausprobieren möchten, sagen Sie dem Sushi-Meister „Hoya“.

Bestimmte Arten von Seescheiden sind in einigen Ländern zu der traditionellen Landesküche, wie z.B. Pyura chilensis. Diese Spezies wird in Chili fast in industriellem Maßstab geerntet. Ihre äußere Schale ist grau, aber das Innere ist leuchtend rot, weshalb Pyura auch „lebender Stein“ genannt wird. Ihr Fleisch verkauft man meist in Dosen oder in Form von geschnittenen Streifen. Es kann roh oder gekocht verzehrt werden.

Einige Arten von Seescheiden haben eine einzigartige Eigenschaft: Ihr Blut enthält Vanadium und hat aus diesem Grund eine bläuliche Farbe. Die Tiere nehmen das Vanadium mit dem Wasser auf. In Japan werden große Mengen von Seescheiden in Unterwasserplantagen gezüchtet, geerntet und schließlich verbrannt. Die dadurch gewonnen Asche erhält zum Teil mehr Vanadium als manche natürliche Vorkommen.

Taxonomie der Seescheiden

Die Taxonomie der Seescheiden wird nach der Wuchsform definiert:

  1. Solitärascidien, die immer ein Oozooid repräsentieren.
  2. Soziale Ascidien, meist mit Stolonen verbunden.
  3. Synascidien, koloniale Formen mit gemeinsamem Mantel, Gefäßsystem, oft zu Gruppen zusammengefassten Ausstromsiphonen in einem Kloakalraum des Mantels und mit vielfältigster Anordnung der meist sehr kleinen Einzeltiere.

Einzelnachweise

  1. Noriyuki Satoh: A deep dive into the development of sea squirts In: Nature 2019 Jul.
  2. Forscher entdecken völlig neue Tierwelt. In: Spiegel Online. 18. Januar 2009, abgerufen am 5. Dezember 2014.
  3. Wolfgang Groepler: Die Seescheiden von Helgoland. Biologie und Bestimmung der Ascidien. Westarp Wissenschaften-Verlagsgesellschaft 2012, S. 6, ISBN 978-3894329174

Quellenhinweise