Aufgrund seiner enormen Anpassungsfähigkeit ist der Giebel nirgendwo gefährdet. Sein Ausbreitungserfolg ist aber mit eine Ursache für den rapiden Rückgang natürlicher Karauschenbestände.
Allgemeines über Giebel
- Name: Giebel (Carassius gibelio). Engl.: Prussian carp
- Ordnung: Karpfenartige (Cypriniformes)
- Unterordnung: Karpfenfischähnliche (Cyprinoidei)
- Familie: Karpfenfische (Cyprinidae)
- Gattung: Carassius
- Vorkommen: West- und Osteuropa, Ostasien
- Max. Größe/Gewicht: 45 cm
Herkunft und Lebensraum
Der Giebel (auch Silberkarausche genannt) ist ein mittelgroßer, mit der Karausche nahe verwandter Karpfenfisch mit diffuser Verbreitung in Süß- und Brackgewässern Eurasiens. Er ist ein typischer, meist hochrückiger und bartelloser Karpfenfisch mit einer silbrig schimmernden, graugrünlichen Grundfärbung.
Neuzeitlich gibt es Giebelnachweise aus West- und Osteuropa, aus der estnischen Ostsee, dem gesamten Mittelmeerraum sowie aus Ostasien samt den vorgelagerten Inseln. Nach einer daraus abgeleiteten, zurzeit vorherrschenden, aber unbelegten Theorie hat der Giebel seinen Ursprung im Amurgebiet und dem nördlichen China, von wo aus er sich natürlich und durch menschliche Eingriffe nahezu den gesamten eurasischen Kontinent erschlossen hat.[1][2]
Wie groß wird der Giebel?
Giebel erreichen in der Regel Gesamtlängen um 40 Zentimeter; Einzelfälle größerer Exemplare sind zwar beschrieben, aber unbelegt.
Anatomische Merkmale
Der Körper des Giebels ist komplett beschuppt, wobei die Schuppenränder über einen hell abgesetzten Rand verfügen. Das Seitenlinienorgan ist vollständig und deutlich ausgeprägt. Alle unpaarigen Flossen sind dunkelgrau, Brust- und Bauchflossen graugrünlich mit milchiger Membran. Die Schwanzflosse ist gegabelt. Öffnet man die Leibeshöhle frischtoter Giebel, stellt man fest, dass das Bauchfell fast schwarz pigmentiert ist.
Giebel besitzen, wie alle Karpfenfische, keinen Magen. Ihre Kiefer sind zahnlos, im Rachenraum sitzen jedoch kräftige Schlundzähne. Die mit dem weit vorstülpbaren Maul aufgenommene Nahrung wird zwischen diesen Schlundzähnen und einer ihnen gegenüber liegenden, sehr massiven knöchernen Kauplatte, dem sogenannten Karpfenstein, zerkleinert.
Die eigentliche Verdauung findet im Darm statt. Giebel gehören zu den Ostariophysi, die als gemeinsames Merkmal über den Weberschen Apparat verfügen, der sie zur Aufnahme akustischer Reize befähigt. Mit Hilfe dieses knöchernen Gebildes werden mit der Schwimmblase aufgefangene Schallwellen zum Innenohr geleitet.
Was ist der Unterschied zwischen Giebel und Karausche?
Der Giebel sieht der ebenfalls bartellosen Karausche (Carassius carassius) ähnlich. Äußerlich können die Arten an der Form der Rückenflosse unterschieden werden, die beim Giebel gerade oder leicht nach innen gewölbt (konkav), bei älteren Exemplaren der Karausche aber nach außen gewölbt (konvex) ist.[3]
Verbreitung des Giebels
Giebel sind hinsichtlich ihrer Lebensräume und Ernährung im weitesten Sinne des Wortes unspezialisiert. Hierin liegt der Grund für ihren großen Ausbreitungserfolg. Die Art lebt in stehenden und langsam fließenden, sommerwarmen und nährstoffreichen Gewässern.
Giebel stellen geringe Ansprüche an die Wasserqualität und tolerieren niedrige Sauerstoffkonzentrationen sowie einen Salzgehalt bis zu 3 PSU. Sie sind Allesfresser. Wo der dichte Bestände entwickeln kann, konkurriert er durch Druck auf deren Laich und Larven sowohl mit Karauschen als auch mit einigen Raubfischen.
Systematik des Giebels
Der taxonomische Status dieser Art ist jedoch schon längere Zeit Gegenstand laufender Forschungen. Alle Giebelpopulationen haben ein recht einheitliches Erscheinungsbild, unterscheiden sich aber genetisch. Normalerweise befinden sich in jeder Wirbeltierzelle zwei vollständige Chromosomensätze; sie sind diploid. Giebel können als einzige Karpfenfische darüber hinaus aber auch drei – triploide –, vier – tetraploide – oder höher polyploide Erbgutsätze tragen.
In der Natur wurden bisher wenige Lebensräume festgestellt, in denen Populationen mit unterschiedlichem Ploidiegrad nebeneinander vorkommen, die sich aus unbekannten Gründen nicht zu vermischen scheinen. Die meisten bekannten Bestände insgesamt sind tri- oder höher polyploid. In Deutschland sind die wenigen gut untersuchten Bestände in der Regel di- beziehungsweise triploid.
Wie ernährt sich der Giebel?
Der Giebel ist meist in kleinen Schwärmen unterwegs und ernährt sich in der Regel von Insekten und Insektenlarven, aber auch von wirbellosen Bodentieren, wie z.B. Schnecken, Muscheln oder Würmer. Gelegentlich verschmäht er auch die Pflanzenteile nicht ganz. Als recht robuster Spezies toleriert der Giebel auch Gewässer mit niedrigem Sauerstoffgehalt.
Gynogenetische Vermehrung der Giebel
Es gibt Populationen, in denen männliche und weibliche Giebel adult heranwachsen und sich geschlechtlich vermehren. Aber die meisten Giebelbestände bestehen ausschließlich aus Weibchen, die über die Fähigkeit zur gynogenetischen Vermehrung verfügen. Hierbei ist für den Anstoß der Embryonalentwicklung zwar das Eindringen eines artfremden Karpfenfischspermiums in das Giebelei erforderlich, es kommt jedoch nicht zum Einbau des männlichen Chromosomensatzes.
Auf diese Weise entstehende Giebel sind die identische Replikation, ein Klon des Ursprungsweibchens. Für die gynogenetischen Weibchenbestände ist die Fortpflanzung dadurch nicht prinzipiell vereinfacht. Sie müssen artfremde, den Cypriniden angehörende Sexualwirte finden, deren bevorstehende Paarung erkennen und gleichzeitig mit ihnen ablaichen. Über die sehr wahrscheinlich hormonelle Steuerung dieses komplizierten Vorgangs ist noch nichts bekannt.
Untersuchte gynogenetische Giebelbestände in Europa waren bisher stets tri- oder tetraploid. Die sich seit 1985 vor der estnischen Ostseeküste im Brackwasser ausbreitenden Giebel vermehren sich geschlechtlich und sind diploid. Darüber hinaus existieren noch kaum untersuchte Bestände aus polyploiden Weibchen und Männchen, von denen die gynogenetische Vermehrung bekannt ist, jedoch nicht die Rolle der Männchen.
Kulinarische Bedeutung
Ausgewachsene Giebelweibchen erreichen ein durchschnittliches Gewicht von 2,0 bis 2,5 kg. Sie sind grätenarm und verfügen über ein fades, helles Fleisch. In Deutschland und Österreich sind Giebel darum keine begehrten Angelfische. An Besatzfischen ist ihr Anteil marginal. Wo sie sich erfolgreich ausbreiten, hemmen sie die Bestandserhaltung der Edelfische.
In Wirtschaftsteichen und in der Berufsfischerei mit Netzen und Reusen liegt der Anteil von Giebeln in deutschsprachigen Ländern in einem noch unbedeutenden, aber ansteigenden Bereich unter zehn Prozent. Demgegenüber sind Giebel, wie die gegenüber den Edelfischen geringer bewerteten Weißfische insgesamt, in den Staaten Osteuropas und in Ostasien wichtige Wirtschaftsfische.
Für den Giebel existier(t)en zahlreiche regionale Bezeichnungen, neben der bekanntesten, Silberkarausche, auch Gold- oder Steinkarausche, Halbgareisl, Halbfisch, Halb-, Karsch-, Buckel-, Karauschen-, Karutzen- und Sittigkarpfen und Hälferling.
Einzelnachweise
- ↑ P. Banarescu, H.-J. Paepke: The freshwater fishes of Europe. Band 5: Cyprinidae 2, Part III: Carassius to Cyprinus. Gasterosteidae. 2001.
- ↑ M. Kottelat, J. Freyhof: Handbook of European Freshwater Fishes. Publications Kottelat, 2008.
- ↑ Ralf Haberbosch: Die Fischart Karausche – ein Spezialist der Flussauen., 2017, Landesfischereiverband Baden-Württemberg e.V., ISBN 978-3-937371-17-7, S. 14–15. (Online)
Quellenhinweise
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